
In den filigranen, herabhängenden Zweigen der Birken hängt das Rauscher kleiner Brisen bis stärkerer Novemberwinde. Von Zeit zu Zeit führt es zu einem zarten Zittern und Rascheln der Blätter. Es gibt auch Tage der Stille. Die Birken fassen den Garten ein und leiten gleichzeitig zur angrenzenden Schafweide über.
Die Birke als Mittlerin vom Hier zum Dort. Jetzt im Herbst, wo die meisten Bäume ihre Blätter bereits völlig loslassen, sind die Birken noch belaubt, senfgelb leuchtet es in der Dämmerung. Noch rahmt das Gelb die weißen Stämme mit ihren schönen filigranen Zeichnungen. Jeder von ihnen ist auf seine Weise ganz eigen, unverwechselbar.
Bei den sibirischen Schamanen gilt die Birke als Mittlerin zwischen den drei Welten. Der Unterwelt, der Erde und dem Himmel. Wie passend auch für unseren Garten. Mittlerin zwischen Erde umd Himmel, vor allem im Sommer, wenn die Hängematte zwischen ihren Stämmen aufgehängt ist und es nichts Entspannenderes gibt als den Blick durch ihr Blätterwerk in das Hellblau zu schicken, schwebend und schaukelnd, aufgespannt zwischen oben und unten.
Ein kleines Stück Unterwelt, findet sich auch bei uns. In der Tiefe der Erde, zwischen den Birken, haben ehemalige Wegbegleiter unseres Lebens ihren Platz gefunden. Längst haben die Wurzeln der Bäume sie allesamt aufgesogen, einen Teil davon behalten, den anderen zurück in den Himmel geatmet. Wenn im nächsten Jahr das zarte helle Grün der Birken sprießt, werde ich ein paar Blätter ernten, sie mir in den Mund stopfen, sorgfältig kauen und meine Erinnerungen füttern. Ich werde den wehmütigen Blick von Cheyenne, unserem Eurasier, schmecken, das quirlige Hin und Her von Jacky dem Hamster, das flauschige Fell von Chili, das Schmatzen des Igels und den Schrecken des Morgens als mich die Amsel im Sturzflug durch ihren Tod weckte.
All die pelzigen und beflügelten Seelen sind gegangen und gehören doch noch immer dazu. Ein Teil der Erde, der Stämme, der Blätter des Himmels, des Regens. Alles verteilt sich neu. Zarte Birkenblätter in meinem Bauch – auch ich gehöre dazu.
Nicht weit von dem Platz, wo sie alle begraben liegen, steht eine alte bemoste Steinbank unter den höchsten Birken des Gartens. Direkt dahinter habe ich im Frühjahr ein weiteres tränendes Herz gepflanzt. Rosarot. Jetzt im November hat es sich in die Erde zurückgezogen. Das Efeu rahmt den kreisrunden Ort, an dem es im Frühjahr erwachen wird. Die Veränderung schläft nicht. Dort kann ich sitzen und die Gedanken ruhen lassen.
Kein Garten ohne Ort der Erinnerung. Kein Garten ohne tränendes Herz.
