Unsere Katze hat Schiss.
Wenn’s knallt, klingelt oder saugt.
Manchmal auch, wenn’s niest, raschelt oder eben nur lebt.
Sie ist durch Zufall in unserer Familie gelandet. Als eine Art Zugabe. Natürlich haben wir so getan, als würden wir uns für sie entscheiden. Dabei gab es da nichts zu entscheiden. Ihr seidener Lebensfaden war mit ihrem vitaleren hochbeinigen Bruder verknüpft, zu dem wir schon eindeutig JA gesagt hatten. Niemand von uns wollte da die Schere sein. So zogen zwei mutterlose Fellknäule bei uns ein, die sich gegenseitig beim Überleben erschreckten.
Sie war weniger als eine Handvoll. Zerrupftes Pipettenkind mit tränenden Augen, impfgeschädigt und schwächelnd, dass mich Tag und Nacht in seine Nähe zwang, bangend, ob es wohl gelingen möge, den winzigen Lebensdocht am Glimmen zu halten. Es gelang.
Sie ist die Zarte. Die Träumerin. Die Trösterin, die unsere Sprache spricht. Das Haus ist ihr sicherer Kokon. Sie liebt es in unseren Betten. Mit uns oder ohne uns. Am liebsten geht sie raus, wenn wir raus gehen.
Nachts wird sie zur Jägerin. Unzählige Mäuse hat sie schon gebracht. Vorsichtig, trägt sie sie in ihren Fängen, zwei Stockwerke hinauf, passiert drei Katzenklappen, drei angelehnte Türen, weckt mich durch ein langgezogenes Miau und legt sie stolz auf dem weißen Teppich im Schlafzimmer ab. Meistens lebend. Dann atme ich auf. Das verschafft mir Möglichkeiten. Früher lies sie auch mal einen Vogel fliegen. Manchmal war’s auch ne Schweinerei.
Bis zu dem Tag X.
Der Tag, an dem sie, wie einen Pfeil durch den Garten, hinter die rettende Katzenklappe zischte. Attackiert aus der Luft von zwei Amseln, die danach wie Cherubim über der Klappe wachten, mit geschärften goldgelben Schnäbeln, falls sie wagen sollte, noch einmal die Pfote in die Nähe der nestflüchtenden Amselkinder zu setzen. Paradies-outsorcing.
Ab da wurde alles anders. Seitdem hat sie Respekt. Der Tiefflug eines Vogels, sein Gezeter oder auch nur der Schatten eines Flügelschlages versetzt sie in Alarmbereitschaft und zügig von draußen nach drinnen. Die Vögel genießen die katzenfreie Zone.
Lächelnd entdeckte ich gestern ein neues Amselnest in der frisch austreibenden Kletterhortensie.
Kuschelig ausgepolstert mit Haaren.
Katzenhaaren.
Ich denke, sie sollten es nicht übertreiben.

